Begleite mich auf meiner Reise ans andere Ende der Welt
Hilfe, die Natur greift mich an!
Hilfe, die Natur greift mich an!

Hilfe, die Natur greift mich an!

Wer Wwoofing Profile aufmerksam liest, ist klar im Vorteil und dann auch nicht überrascht, eine Woche lang überhaupt keinen Handy-Empfang zu haben, weil er beim falschen Provider ist. Aber das ist ja manchmal gar nicht unbedingt etwas Schlechtes.

Nach einer Fährüberfahrt auf die Südinsel und einer Busfahrt nach Kaikoura wurde ich von meiner Gastgeberin Lynn abgeholt um meine erste Wwoofing-Erfahrung zu machen. Mit ihr fuhr ich in ein nahe gelegenes Tal, das so dünn besiedelt ist, dass der Postler nur die ersten drei Kilometer hinein fährt und dann alle Post in einen Sammelbriefkasten schmeißt. Etwa 15 Minuten, eine Flussüberquerung und ein Tor später durchquerten wir ein kleines Stück Wiese auf dem 15 Lamas grasten und zwei Kurven weiter tauchten zwei kleine Hütten auf. Eine kleine und eine noch kleinere. Die noch kleinere sollte mein Zuhause sein für die nächsten fünf Tage und in der kleinen wohnten meine Gastgeber Lynn und Pete. Beim Aussteigen wurden wir sofort von zwei stürmischen, großen, schwarzen Hunden, Wills und Poppy, und einem mindestens genau so motivierten Schaf begrüßt. Das Schaf war erst drei Monate alt, trug den klingenden Namen Lamb-Chop und ich war mir nicht sicher ob ihm klar war, dass es ein Schaf und kein Hund war.  

Auf der Farm angekommen wurde nicht mehr viel getan außer Abend zu essen. Wir besprachen auch die Aufgaben des nächsten Tages und der nächtsten Woche. Neben Gras mähen und Schafe und Lamas füttern schlug Peter vor, wir könnten Jagen gehen, wenn ich wolle. Dann sah er mich an und meinte „have you ever fired a gun before?“ – nein. Hätten wir das auch geklärt. Ob mich das ungeeignet zum auf die Jagd gehen machte wusste ich nicht. 

Müde von einem langen Reisetag fiel ich am Abend, nach ein bisschen Fernsehen müde in mein Bettchen (wobei Bettchen dem riesigen, weichen Doppelbett nicht ganz gerecht wird), gespannt was die nächsten Tage so bringen würden.

Schon meine erste Nacht war ein kleines Abenteuer. Nachdem es so stürmisch war, dass ich mitten in der Nacht durch einen lauten Rums aufwachte und es sich anhörte, als würde ich mit samt dem Haus davon geweht werden. Meine Unterkunft blieb aber doch, bis auf den Deckel des Kamins, den wir am nächsten Tag im Gras fanden, intakt und am nächsten Morgen war das Spektakel schon wieder vorbei. Mein erster richtiger Tag begann pünktlich um sieben Uhr dreißig mit einem Slalom durch einen Haufen hungriger Lamas, um aufs Klo zu kommen. Nachdem zuerst ich und dann die Lamas, Hunde, Enten und das Schaf gefüttert waren, ging es auf in den Wald um Feuerholz für den nächsten Winter zu beschaffen. Wir luden fleißig ein Meter Stücke auf den Anhänger des Autos. Nur als wir dann damit wieder Richtung Haus fahren wollten, weigerte sich das Auto zu starten. Halb so wild, immerhin gibt es ja in jedem guten Neuseeländischen Haushalt mindestens zwei Autos – in diesem Fall sogar drei – und einen Van. So schleppten wir, nach einem gescheiterten Starthilfe Versuch, Auto und Anhänger ab. Das Holz wurde geschlichtet und der Mechaniker informiert und so endete mein erster Arbeitstag.

Nach dem Mittagessen hatte ich frei und das war der erste Moment, an dem mir so wirklich bewusst wurde, dass ich in den nächsten Tagen wohl viel Zeit mit meinen eigenen Gedanken verbringen würde – zumindest glaubte ich das zu diesem Zeitpunkt noch. Dummerweise hatte ich mein Buch auf der Fährfahrt ausgelesen und war noch nicht in der Stimmung mich in eine neue Materie zu stürzen, also war auch “in ein Buch flüchten” keine zufriedenstellende Option. Allzu schnell musste ich mir aber noch nicht selber Beschäftigung einfallen lassen, denn ich bekam einmal eine großflächige Tour über das Grundstück und dann ging es in einen nahegelegenen Gebirgsbach schwimmen. Gebirgsbach klingt kalt, war er aber gar nicht so sehr. Der Lake Taupo war deutlich kälter. 

An meinem zweiten Tag war meine Aufgabe das Gras im Obstgarten mit einer Sichel zu mähen. Zumindest an den Stellen, an denen Pete mit seinem Rasenmäher nicht hinkam. Damit waren wir schneller fertig, als gedacht und so braucht ich eine neue Aufgabe. Nach einem gemütlichen Vormittagstee – “perfect time for a nice cup of tea”, hörte ich mindestens zwei mal pro Tag – brachten Lynn und ich die Lamas auf eine andere Weide und ich musste ihnen ein neues, kleines Wasserloch graben. Lamas sind komische Tiere, denn sie trinken nur sehr, sehr ungern aus Wasser, das sich bewegt. Abschließend durfte ich noch bei der kurzen Trainingsstunde der drei jungen Lamas helfen und dann gab es auch schon Mittagessen. Meinen Nachmittag verbrachte ich diesmal alleine und damit, den Bach weiter zu erkunden. Dabei lernte ich noch mehr Bewohner des Tals – und auch eigentlich der ganzen Südinsel – kennen: Sandflies. Diese kleinen Mücken schauen aus wie Fruchtfliegen, verhalten sich aber mehr wie Gelsen und sind daran schuld, dass meine Beine immer noch voller Mückenstiche sind.

Beim Abendessen war ich dann schon müde aber Pete meinte, wir gehen heute noch eine Runde jagen – anscheinend disqualifizierte mich meine mangelnde Erfahrung nicht direkt. Also warf ich mich wieder in mein Outdoor Gewand und auf ging es auf den Hügel immer begleitet von den beiden Hunden und dem Schaf, das noch nicht ganz verstanden hat, dass es kein Hund ist. Jagen ist ein bisschen wie Pilze suchen in unbekanntem Gebiet – es sollte vielleicht was da sein aber eigentlich verbringt man die meiste Zeit damit etwas zu suchen was man dann eh nicht findet. Aus meinem Kommentar entnimmst du vermutlich bereits, dass wir an dem Abend – und Spoiler: auch an jedem der folgenden – nichts erlegten. 

Mein Zimmer war etwas rustikal aber sehr sehr gemütlich, besonders das Doppelbett (Bett Nummer 19 auf dieser Reise), das ich für mich alleine hatte, war sicher eines der angenehmsten Betten in denen ich bis jetzt geschlafen hatte. Bei meinem ersten nächtlichen Klogang habe ich auch schon festgestellt, dass die Angelegenheit der Farm nicht nur eine Entschleunigung des Lebens sondern auch einen wunderschönen Sternenhimmel mit sich bringt. Leider bin ich inzwischen leider ein bisschen zu schaßaugert – wie man im Dialekt meiner Muttersprache so schön sagt – um die Sterne wirklich gut und scharf zu sehen. Daher verbrachte ich nicht viel Zeit in der Kälte der Nacht, aber vielleicht ergibt sich ja noch eine bessere Gelegenheit um Sterne zu schauen. 

Ein neuer Tag brachte eine neue Aufgabe, diesmal ging es darum den Zaun um eines der Lama-Gehege von potentiellem Windwurf und anderen Problemen zu befreien. Bewaffnet mit einer Heckenschere und einer Machete machten Lynn und ich uns auf ins Dickicht. Offenbar wird dieser Zaun einmal pro Jahr kontrolliert und wir schafften an diesem Vormittag gerade einmal ein Viertel des Grundstückes. Neuseeland hat ja, wie schon öfters festgestellt nicht wirklich gefährliche Tiere, aber während meines Wwoofing-Aufenthaltes lernte ich ein paar einheimische Pflanzen näher kennen als unbedingt notwendig gewesen wäre. Eine davon war unser Gegner an diesem Tag: Urtica ferox – ein auch bush nettle oder Nesselbaum genanntes Gestrüpp. Ich würde es als die große Schwester unserer Brennnessel bezeichnen. Sie schaut schon bösartiger aus, mit noch ein bisschen ausgeprägteren Stachel-Haaren und anders als unsere heimische Brennessel wird sie, wenn man sie lässt, so groß wie ein Haselnussstrauch. Auch wenn sie einen attackiert – zum Beispiel, weil man versucht,  einen Weg mit einer Heckenschere von viel zu vielen Nesselbäumen zu befreien – ist sie böser als unsere Brennnessel. Am Anfang fühl sich ein Stich ziemlich ähnlich an, nur dann wird er bald zu einem unangenehmen Kribbeln. Das Gefühl lässt sich wohl am ehesten mit dem Gefühl vergleichen, wenn man sehr kalte Hände unter zu warmes Wasser hält, oder wenn ein eingeschlafenes Körperteil langsam und kribbelnd wieder aufwacht. So kribbelt es dann allerdings für die nächsten paar Tage mal mehr, mal weniger und besonders stark dann, wenn man die betroffenen Stellen bei Händewaschen oder Duschen nass macht. Wir verbrachten jedenfalls eine lange Zeit damit, einen breiten Weg neben dem Zaun frei von diesen Nesseln zu bekommen. Angeblich hätte ein Woofer letztes Jahr die Nesseln abschneiden und die Stümpfe vergiften sollen, aber angesichts der Tatsache dass der Weg ab der Hälfte gänzlich überwuchert war, scheint er letztes Jahr nach der Hälfte aufgegeben zu haben.

Nach einem verdienten Mittagessen war aber nicht lange Zeit zum Ausruhen bis Pete vorschlug, zum Meer fischen zu fahren. So lernte ich, wie man eine Angel benutzt, leider waren die Fische nicht überzeugt von meinem Angelgeschick und so musste Pete unser Abendessen an Land bringen. Die Fahrt in die Stadt ermöglichte mir auch, alle meine – nicht sehr zahlreichen – Nachrichten zu checken und meine Unterkunft zu buchen. Zum Abendessen wurden die frisch gefangenen Fische zubereitet und dann fiel ich, wie jeden Tag, geschafft aber zufrieden ins Bett.

Einen weiteren Tag brauchten wir um den Zaun abzugehen und ihn von allen Nesselbäumen und heruntergefallenen Ästen zu befreien. Am zweiten Tag war ich ein bisschen weniger vorsichtig, was zur Folge hatte, dass nach Tag zwei meine gesamten Unterarme und Handrücken voller Nesselstichen waren.

Meinen letzten Tag verbrachte ich dann großteils alleine, weil Lynn und Pete beide in der Stadt arbeiten mussten. Also machte ich mich alleine auf um die ganzen Nesselbaumstümpfe zu vergiften, die wir die Tage davor abgeschnitten hatten und dann die Fenster in der Küche zu putzen. Nur, dass es dann nicht nur bei den Küchenfenstern blieb, weil wenn man schon einmal dabei ist und alle Fenster dreckig sind, dann kann man sie auch gleich alle putzen. Auch die Fenster meines Badezimmers, die aussahen, als hätten sie noch nie Putzmittel gesehen. Auch die Tiere waren an dem Tag in meiner Verantwortung, also nahm ich Wills, den einen Hund, mit auf meine Nessel-Tour – alle anderen Tiere wollten nicht mitkommen. Zu Mittag war es dann nicht nur zeit für mein sondern auch für Lambies Mittagessen. Nachdem sie erst drei Monate alt war, bekam sie noch viermal am Tag ein bisschen Schafmilch aus der Flasche. Das war schon sehr sehr herzig und sicher eine meiner Lieblingsaufgaben.

Am Samstag ging es dann schon direkt nach dem Frühstück wieder zurück in die Zivilisation und es war schon ein bisschen schade. Die Zeit bei Lynn und Pete ist super schnell vergangen und war sehr sehr schön. Ich habe sehr genossen wieder ein eigenes Zimmer und Bad zu haben, in denen ich mein Zeug verteilen konnte und dass ich mir nicht jeden Abend selber überlegen musste, was es zum Essen gibt. Generell war in diesem Tal einfach alles ein bisschen ruhiger und es gab keinen Grund sich wegen irgendetwas zu hetzen. Es geht sich ja trotzdem alles aus. Auch die Abwesenheit des Internets war eine ganz angenehme Abwechslung und hat sicher zu der Ruhe der Woche beigetragen. Ich weiß nicht wann ich das letzte Mal eine Woche lang eine Bildschirmzeit von durchschnittlich 20min pro Tag hatte. Wobei das nicht ganz stimmt, weil da natürlich die abendliche Fernsehzeit nicht mit eingerechnet wird. Jetzt geht es für mich wieder einige Zeit alleine weiter, bis ich zu meiner nächsten Wwoofing Stelle fahre.

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