Meine Zeit in Gisborne – und so auch meine Zeit in Neuseeland – geht dem Ende zu. Die letzen Wochen hier sind unglaublich schnell vergangen und ich habe es geschafft Freundschaften zu knüpfen, die hoffentlich noch länger halten werden. Neben der Arbeit war oft nicht viel Zeit für Freizeit oder Me-time aber trotzdem tat mir ein bisschen Routine wieder einmal sehr gut und auch mein Sozialleben kam nicht viel zu kurz. Ich schaffte es eine Morgen Yoga Routine aufzubauen – die ich schon wieder in die Brüche gehen sehe, sobald ich weiter Reise und keine Routine mehr habe – und die Zeit die mir am Abend noch blieb verwendete ich vor allem für eines: Kochen. So waren die letzten Wochen in vielerlei Hinsicht vom Essen geprägt, auch wenn Gisborne selbst – wie ich immer wieder feststellen musste – keine besonders bemerkenswerten Restaurants aufweisen kann. Also war es um so besser dass ich voller Motivation war selber zu kochen und vor allem aber zu backen – letzteres sehr zur Freude meiner Kollegen. Immerhin kann ich ja nicht den ganzen Kuchen selber essen, sonst würde ich noch mehr aufgehen, wie ein Germteig. Auch der Titel des heutigen Beitrags hat mit essen zu tun, denn nicht nur bei mir zuhause gab es gutes Essen. Unser Mittagessen und Morning Tea in der Arbeit war jeden Tag ein Highlight und wurde von einer meiner argentinischen Kolleginnen jeden Tag, noch bevor sie das Essen gekostet hatte, mit “Que Rico!! So Good!” Kommentiert.
Besonders in den letzten zwei Wochen tauschte ich meine Zeit in der Küche am Abend aber immer öfter für ein gemeinsames Beisammensitzen am Strand oder ein Abendessen mit den Kollegen ein. Bei diesen Gelegenheiten wurden wir von unseren argentinischen Kollegen auch in die Wissenschaft des Mate-Trinkens eingeführt. Mate ist ein Grüntee, der vor allem in Argentinien und Uruguay getrunken wird aber eigentlich gehrt es mehr um die soziale Komponente, denn das ganze ist eine Gruppenaktivität. Getrunken wird gemeinsam – also nacheinander – aus dem selben Becher in dem sich Yerba – der Tee – befindet. Der Besitzer des Bechers beginnt damit heißes Wasser auf den Tee zu leeren und gibt den Becher dann an die erste Person der Runde weiter. Diese trinkt den Mate durch einen metallenen Strohhalm, der die Teeblätter davon abhält mitgetrunken zu werden. Ist kein Wasser mehr im Becher, gibt man ihn zurück an den Besitzer, der schenkt nach und der Becher geht an die nächste Person im Kreis. So geht es reihum, alle trinken aus dem selben Strohhalm. Aber dabei gibt es ein paar Regeln. Die wichtigesten zwei sind: Man darf den Strohhalm nicht mit den Händen angreifen, bewegen oder gar umrühren. Und zweitens, man bedankt sich nicht für den Mate, denn ein Dankeschön heißt, man hat genug und möchte keinen Tee mehr.
Unseren letzten gemeinsamen Sonntagabend verbrachten wir mit einem Barbecue bei einem der Kollegen. Das war deshalb besonders gut, da es viel Gossip auszutauschen gab, denn am Freitag davor wurde die alljährliche Vintage Party veranstaltet. Ein Event, bei dem das erste mal ausnahmslos alle Angestellten der Winery zur selben Zeit anwesend waren. Das ganze begann um ein Uhr Nachmittags und es gab unbegrenzt Wein und Bier. Eine gute Idee für eine Firmenfeier? -Wohl eher nicht, aber das scheint tradition zu sein. Einige meiner Kollegen, sowohl permanente Angestellte als auch Saisonarbeiter, sowohl alt als auch jung, waren am Ende des Tages sehr gut bedient. Nachdem die offizielle Party um halb fünf am Nachmittag wieder vorbei war, wurde das ganze in den Hinterhof von einem der permanenten Angestellten verlagert und ging dann bis spät in die Nacht weiter. Danach hatten wir viel Gesprächsstoff für unser Barbecue am Sonntag.
Besonders in den letzten zwei Arbeitswochen wuchsen meine Kollegen und ich noch einmal mehr zusammen und es fiel mir nicht ganz leicht, mich am Ende der Woche von allen zu verabschieden. Nachdem Gisborne wenig zu bieten hat und reisten am Wochenende nach unserem letzten Arbeitstag eigentlich nach und nach alle in unterschiedlichste Himmelsrichtungen davon und jeder ging seinen eigenen Weg. Wer weiß, wieviele davon ich je wiedersehen werde. Aber ich sehe es so, jetzt muss ich leider irgendwann Argentinien, Japan und die Schweiz besuchen, so ein Pech – wobei letzteres wohl deutlich schneller umsetzbar ist als die andern beiden Destinationen. Auch mit meiner Mitbewohnerin habe ich mich immer besser verstanden und so war auch das ein bisschen ein trauriger Abschied.
Meine Arbeit selbst war nie besonders stressig und obwohl immer wieder angekündigt wurde, jetzt würde dann bald mehr los sein, wurde es besonders für uns Cellar Hands nie besonders stressig. Da wir dann in den letzten eineinhalb Wochen auch keine Trauben mehr bekamen weil die Ernte schneller vorbei war als gedacht, gingen wir auch wieder zurück zu 40h statt 60h Wochen. So waren meine Tage plötzlich wieder viel länger und das nutzen meine Kollegen und ich auch insofern aus, als dass unsere Gruppenaktivitäten deutlich zunahmen. So machten wir einen Tagesausflug in den Norden Gisbornes um Stachelrochen zu streicheln und den längsten Pier der Welt zu besuchen. Außerdem waren wir bei der Rere Rockslide und rutschten auf großen Schwimmreifen und einem Luftbett die natürliche Wasserrutsche hinuntergerutscht.
Ich war mit den Kollegen im Kino, wir waren essen und verbrachten unzählige Nachmittage am Strand. So bin ich auch immer öfter dazukommen surfen zu gehen – vor allem da ich mir das Surfboard meiner Mitbewohnerin jederzeit ausborgen durfte – wobei ich die letzten Male von der Natur belehrt wurde, dass mein Können sehr stark von der Beschaffenheit der Wellen abhängig ist und ich doch nicht so gut bin wie ich dachte. Ich hatte trotzdem sehr viel Spaß.
In diesen letzten sechs Wochen habe ich auch eine kleine Fotodokumentation des Sonnenaufgangs am Arbeitsweg gemacht, wobei dieser natürlich immer weiter nach hinten gewandert ist.
Auch meine Zeit in Neuseeland ist inzwischen schon fast vorbei und ich habe mir in den letzten Tagen immer mal wieder Gedanken darüber gemacht, was ich wohl vermissen werde. Das Land ist wunderschön und vielleicht liegt es an der Art meines Aufenthalts hier, aber in Neuseeland scheinen die Leute alles ein bisschen gelassener zu nehmen. Europa wirkt von hier aus sehr hektisch, perfektionistisch und leistungsorientiert, da ist die naturverbundene “should be alright” Mentalität der Neuseeländer eine sehr willkommene Abwechslung. Passend dazu wird Work-Life Balance hier sehr groß geschrieben was dazu führt dass Geschäfte – die keine Supermärkte sind – und Cafés eigentlich immer nur von 9-15/16 Uhr offen haben und Restaurants auch alle meistens gegen 21/22Uhr schließen. Viel länger müssen sie aber nicht offen haben, immerhin ist der normale Rhythmus der Kiwis eher früh aufstehen und früh schlafengehen, was mir persönlich sehr recht ist. Auch Fortgehen beginnt schon am späten Nachmittag, dafür ist man aber meisten vor Mitternacht, oder zumindest nicht super viel später, wieder zuhause. So hat man tatsächlich etwas vom nächsten Tag. – Auch sehr zufriedenstellend.
Was mir wohl auch ein bisschen abgehen wird, obwohl ich mich immer eher als Berg-Mensch gesehen habe, ist die Nähe zum Wasser, vor allem so wie in den letzen zwei Monaten in Gisborne. Ein schneller Zwischenstopp am Meer auf dem Heimweg, um eine Stunde Surfen zu gehen ist schon einfach etwas tolles und eine gute Alternative zu laufen, wenn ich wieder einmal zu viel Energie über habe. Ich wurde immer wieder gefragt, ob ich bleiben würde, hätte ich die Möglichkeit und obwohl ich das Land sehr gerne habe sot meine Antwort vorerst wohl eher Nein. Nicht, weil es mir nicht gefallen hat, sondern vor allem, weil ich das Gefühl habe, zuhause wartet ein Leben auf mich, das ich gerne weiterleben würde. Außerdem habe ich mich gedanklich schon darauf vorbereitet dass das nächste Kapitel beginnt: Australien. Würde ich wieder kommen? – Auf jeden Fall! Es gibt noch so viel zu entdecken, was ich noch nicht gesehen habe und so viele Wanderungen zu machen, aber jetzt freue ich mich schon wieder darauf zu erste in bisschen weiter zu reisen und dann bekannte Gesichter wieder zu sehen und nicht mehr überall mit dem Auto hinfahren zu müssen. Denn was mich wohl am meisten unrund gemacht hat in meiner Zeit hier ist, dass man sich hier schnell eingesperrt/festgesetzt fühlt, wenn man kein motorisiertes Fahrzeug zur freien Verfügung hat.
Generell hat hier vieles einen ein bisschen amerikanischen Flair und ist gefühlt auch ein bisschen weniger Modern als Europa. Gleichzeitig wird tendenziell auch weniger weggeschmissen und mehr repariert, einfach weil Neuseeland so abgelegen ist dass es oft billiger ist altes zu reparieren. Auch das Haus in dem ich die letzten zwei Monate gewohnt habe fällt eher in die Kategorie: Einmal drüber gezahlt und schon ist’s neu. So ist mein Fenster eines Abends halb auseinander gefallen und ich möchte indem Zimmer nicht unbedingt einen Winter verbringen, denn es hat immer in etwa die selbe Temperatur wie draußen. Eine weitere Sache die ich nicht verstehe ist, warum das Konzept eines modernen Wassermischers noch nicht wirklich angekommen ist, denn bei sehr vielen Waschbecken findet man nur zwei Wasserhähne, sodass man beim Händewaschen oft nur zwischen zwei Temperaturen, nämlich “Wasserkocher” und “Schneeschmelze” wählen kann. Aber bitte versteh mich nicht falsch, obwohl der Teil der Stadt in dem ich hier wohne nicht der schönste ist und das Haus selber auch schon bessere Zeiten gesehen hat, habe ich nicht ungerne dort gewohnt. Besonders mein eigenes Zimmer mit meinem eigenen großen Bett tausche ich nur schweren Herzens wieder gegen ein Hostel Bett ein.
Wenn ich auf meinen Job zurückblicke habe ich definitiv auch einige Dinge dazugelernt. Zum einen habe ich jetzt viel mehr Wissen über Wein als davor und mir war definitiv nicht klar, dass man da so viele unterschiedliche Zutaten hineingibt im Laufe des Prozesses -Diammoniumphosphat, Kaliummetabisulphat, Zucker, Hefe, Bentonit, Gelatine, Aktivkohle… Außerdem finde ich es immer noch arg, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ein Glas Wein schwenken, daran riechen, den Wein kosten und dann sagen können, woher er kommt, was es für eine Sorte ist, wie teuer er ca im Geschäft ist und noch vieles mehr.
Leider hat mir Neuseeland nicht zu einem Geistesblitz verholfen, sodass ich jetzt immer noch nicht wirklich weiß, was ich eigentlich machen möchte, wenn ich zurück nach Hause komme. Aber wie man so schön sagt: We will cross that bridge when we get there. Ich bin mir aber sicher, dass ich nicht weiter in einem Job arbeiten möchte, in dem meine Hauptaufgabe aus Warten besteht. Das macht mich auf Dauer wahnsinnig denke ich.
Morgen geht es für mich weiter wieder zurück Richtung Auckland, denn heute in drei Tagen bin ich schon im nächsten Land auf meiner Reise: Australien.
Appropos Job, Nachdem ich in meinen letzten beiden Arbeitswochen nur mehr 40h statt 60h gearbeitet habe – nachdem keine Trauben mehr geliefert wurden, gab es auch noch weniger zu tun als davor – hatte ich tatsächlich Zeit, nach der Arbeit noch das ein oder andere zu unternehmen. So habe ich mit meinen Arbeitskollegen einen Ausflug zu einer natürlichen Wasserrutsche gemacht. Auch unsere freien Tage haben wir gut genutzt um Rochen zu streicheln, den längsten Pier der Welt zu besuchen oder einfach nur Gartenparty bei einem Kollegen daheim zu machen.
Ich verlasse Neuseeland mit vielen tollen Erinnerungen, unzähligen Fotos und einem Haufen neuer Bekanntschaften von denen ich hoffe, dass ich zumindest ein paar davon riegdwann einmal wiedersehen werde. Immerhin ist es immer gut Locals zu kennen wenn man in ein fremdes Land reist und vor allem meine Arbeitszeit-Freunde geben mir noch ein bisschen mehr einen Grund einmal nach Japan und Argentinien zu reisen. Und in die Schweiz, aber das ist irgendwie nicht ganz auf dem selben Abenteuerlevel.


























